Der Titel, mit dem Bodo Buhl seine Arbeit für das Kunstforum ankündigte und vorstellte, überträgt eine Fülle von formalen wie auch kunsthistorischen Vorgaben auf das neue Werk. Es wird durch diese Bezeichnung als „tableau cubiste“ interpretiert, seiner formalen Neutralität beraubt und in einen Metabereich zwischen dem, was es tatsächlich vorstellt und dem, was es darzustellen verspricht, versetzt.
Betrachtet man das Werk nun zunächst ohne seine Bezeichnung als dreidimensionales Objekt im Raum, so sieht man eine aus drei zusammengefügten Elementen gebaute Skulptur: Eine prismatische, hochragende, sich oben öffnende Figur, eine auf der Spitze stehende, über dem Quadrat entwickelte Pyramide und eine diese beiden Teile verbindende viereckige Bodenplatte mit unterschiedlichen Seitenlängen und abgeflachten Kanten. Farblich unterscheidet sich diese Standplatte der Skulptur durch den matten, neutralen Grauton von den in glänzendem, dunklem Blaugrünton gehaltenen Skulpturen. Trotz des Unterschieds in der Behandlung mag man dieses am Boden liegende Teil der Arbeit nicht einfach als Sockel bezeichnen und damit von der Skulptur selbst loslösen. Dem widerspricht seine formale Behandlung, die aufgrund der eigenen und besonderen Gestalt die Erinnerung an normierte, rechteckige Sockel kaum aufkommen läßt.
Die graue Bodenplatte bildet jenes „tableau“, den substantiellen Bildträger, auf welchem sich die „kubistischen“ Formen bewegen und entfalten können. Diese stereometrischen Figuren scheinen keinen festen Halt im „tableau“ zu suchen, wie etwa eine Statue in der Plinthe, sondern sie erwecken vielmehr den Anschein, sich frei über diesem Grund zu bewegen, zu schweben und zu tanzen. Die aus Holz gebauten und monochrom gefaßten Figuren zeigen unter einer gerichteten Beleuchtung aus einer oder aus nur wenigen Lichtquellen die verschiedenen Seiten der Skulptur in voneinander abweichender Helligkeit. Diese Helligkeitsunterschiede wiederum, die auf einem weißen, ebenso vielfältigen Gebilde unterschiedliche Grauwerte abgäben und dadurch ihre körperliche Ausdehnung erfahrbar werden ließen, erscheinen auf dem dunklen Farbgrund als verschiedene Farbtöne. Das im dunklen Bereich des Farbspektrums angesiedelte Blaugrün „kippt“ unter besonderen Helligkeiten in den lichteren Gelbbereich, während es in den Verschattungen zum nahezu farblosen Blauschwarz tendiert. Der Glanz des Lackes wirkt aufgrund der Lichtreflexionen noch extremer als eine entsprechende Farbe in mattem Auftrag. Im Glanz tritt eine extreme Helligkeit unmittelbar neben Dunkelwerten auf und durchbricht dadurch die Fläche. Besonders an den Kanten der prismatischen Figur werden solche Lichtreflexionen sichtbar, die die Übergänge dadurch zu verschleifen scheinen. „Selbst die Schatten, welche die Figuren auf die Bodenplatte werfen, rangieren vom kalten Blaugrau über einen neutralen Ton bis zum Gelbgrau. Gleichsam in eigener Überhöhung zeigt die stehende Figur in ihrem Inneren geborgen, aber an der oberen Öffnung sichtbar, ein tief leuchtendes Karminrot als Komplementär zur Farbe der Außenhaut.
Die Erinnerung an die Gemälde der Kubisten, von Picasso und Braque zuerst formuliert, hat Bodo Buhl in ein Erscheinungsbild von Farbe in ihrer Fächerung und Brechung übertragen. Die Erscheinung der Farbe wird hier als Folge der Beleuchtung demonstriert. Der reale Farbton bleibt ja bei der ganzen Skulptur konstant, ändert sich aber aufgrund unterschiedlicher Lichtbedingungen, unter denen die Facetten der Skulptur erscheinen. Im Unterschied zum Kristall wird die prismatische Farbbrechung hier gewissermaßen an der Außenhaut der Skulptur vollzogen.
Sogar die reale, meßbare Körperlichkeit wird vom Oberflächenphänomen Farbe überspielt, indem Kanten und benachbarte Felder miteinander changieren und in ihrer prismatischen Klarheit verschliffen werden. Durch diese fließenden Übergänge vermittelt die Skulptur Momente der Bewegung, aus denen die eingangs beschriebene Mobilität resultiert. Bodo Buhl zeigt hier das kubistische Bild als abhängige Variable eines definierten Feldes mit bestimmten Vektoren, das sich in der Betrachtung im Verlauf eines Umgangs um die freistehende Skulptur ständig verändert.